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St. Martin - Euskirchen

St. Martin, Euskirchen

St. Martin ist eine der drei Innenstadtkirchen und die Pfarrkirche der Pfarrei St. Martin, Euskirchen

Die Messen werden jeden Mittwoch um 18:30 Uhr und sonntags um 8:00 Uhr gefeiert. 

Die Kirche (Seiteneingang von der Kirchstraße aus) ist täglich für das persönliche Gebet geöffnet.

Die älteste, historisch und kunstgeschichtlich interessanteste Kirche in der Pfarrei St. Martin Euskirchen ist die Pfarrkirche St. Martin. Ihre ehemaligen „Mitkonkurrentinnen“ verfielen, wurden säkularisiert oder im Kriege zerstört. Dies waren:

  • die St.-Georg-Kirche an der Kommerner Straße, vor 1160 erbaut, 1819 wegen Baufälligkeit abgebrochen;
  • die als innerstädtische Filiale der Georgskirche urkundlich 1427 belegte Antoniuskapelle in der Kapellenstraße, die 1804 säkularisiert und 1823 auf Abbruch verkauft wurde;
  • die Klosterkirche der Kapuziner, die 1684 im Bereich der Klosterstraße (heute C&A) erbaut und 1944 durch Bomben zerstört wurde.
    Unter dem Pfarrer von St. Martin, Dechant Stollmann, ging 1908/09 die Herz-Jesu-Kirche zunächst als Filialkirche hervor, die dann 1924 zur Pfarrkirche erhoben wurde. Aus Herz-Jesu ging 1941 das Pfarrrektorat St. Matthias hervor, das 1960 selbständige Rektoratspfarre wurde

Die Ursprünge von St. Martin reichen in die merowingische Zeit um 750 n.Chr. Eine erste urkundliche Erwähnung der Martinskirche im Zusammenhang mit der Siedlung „Augstchirche“ findet sich 870 im Vertrag von Meersen, als die Teilung des Karolingerreiches festgeschrieben wurde. Schon vor der Verleihung der Stadtrechte an Euskirchen im Jahre 1302 konnte die Pfarre 1190 die Erhebung zur selbständigen Pfarrgemeinde im damaligen Dekanat Zülpich feiern.
Der Ursprungsbau dürfte die Form einer Saalkirche mit rechteckigem Chorabschluss gehabt haben und damit ungefähr den Maßen des heutigen Mittelschiffes einschließlich des Turmuntergeschosses entsprechen. Als anfängliche grundherrliche Eigenkirche grenzte sie an den im Norden gelegenen fränkischen Friedhof unter dem heutigen Annaturmplatz.
Ob die Saalkirche in ihren Anfängen eine Holzkirche gewesen ist, lässt sich nach heutigem Forschungsstand nicht belegen. Die ältesten erhaltenen Bauteile gehören der Romanik an. Es sind: das Untergeschoss des Turmes, das Mittelschiff bis zum Wandgesims; der Außenbau des Langhauses mit seinen Lisenen und Rundbogenfriesen als romanischem Bauschmuck. Es war eine dreijochige (Pfeiler-) Kirche mit geostetem Chor und Westturm.
Schon vor der Stadtrechtsverleihung an das neu entstandene Gemeinwesen Euskirchen im Jahre 1302 muss sich abgezeichnet haben, dass die Pfarrkirche räumlich zu klein für die anwachsende Zahl der Gläubigen war. Die erste Erweiterung geschah gegen Ende des 13. Jahrhunderts durch die Verlängerung des Chorabschlusses um ein Joch, die Bildung eines fünfseitigen neuen Chorabschlusses sowie den Anbau eines rechteckigen Joches im Norden in Höhe des dritten Mittelschiffjoches, alles im Stil der Gotik. Anfang des 14. Jahrhunderts errichtete man als Pendant zum Nordchor einen Südchor. Die Kirche hatte jetzt eine Kreuzesform. Nach fast 100-jähriger Unterbrechung setzte eine zweite Ausbauphase 1434 ein, deren Ergebnis das südliche Seitenschiff war. Die Jahreszahl im Süd-Portal „1o34“ geht auf den Brauch zurück, mit einer „halben 8“ die Vier zu kennzeichnen. Es folgte der Bau des nördlichen Seitenschiffes, das um 1485 vollendet wurde. Jetzt entsprach die Kirche im Aussehen dem Basilika-Typ. Die Kirche erhielt im Mittelschiff ein spätgotisches Netzgratgewölbe. Um 1490 wurde der Turm um ein Stockwerk erhöht. In dieser letzten Bauphase wurde das südliche Seitenschiff dann nochmals nach Westen hin um zwei Joche verlängert. Fast 500 Jahre blieb die Gestalt der Kirche unverändert. Erst 1881 wurde der Turm mit einem gotisierenden Westportal neu gestaltet, das im Tympanon Christus als Weltenrichter darstellt. Das Portal des südlichen Seitenschiffes erhielt eine Vorhalle mit anders angeordnetem Eingang. 1939 wurde das nördliche Seitenschiff um die Taufkapelle nach Westen hin verlängert. Seit dem Erdbeben im Jahre 1951 wurde das Innere der Kirche mehrfach erneuert, zuletzt im Jahre 2001.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert kamen Pläne auf, die Kirche in Nord-Süd-Richtung zu erweitern, weil das Raumangebot für die gestiegene Zahl der Gläubigen nicht mehr ausreichte. Diese Pläne wurden nicht mehr weiterverfolgt, als man sich zum Bau einer neuen Kirche (Herz-Jesu) entschloss.

Innenausstattung - liturgisches Konzept
Vom Ursprung her ist die St.-Martin-Kirche auf ein Hingehen vom dunklen Westen des Turmportals zum Altare Gottes im lichtspendenden Osten angelegt. Somit ist der Hauptaltar in der Chorapsis auch das Zentrum der Liturgie. Die beiden Seitenschiffe mit ihren ursprünglichen Nebenaltären und den in den vergangenen Jahrhunderten vorhandenen insgesamt sieben Altären waren Ausdruck spezieller Frömmigkeit und Stiftungen und dokumentierten den Reichtum der Pfarrgemeinde. So verwundert es nicht, dass St. Martin in allen Bereichen der sakralen Kunst Bedeutendes und für das Rheinland z.T. Einmaliges aufzuweisen hat.

Der Taufstein aus Namurer Blaustein ist das älteste Ausstattungsstück der Kirche und stammt aus der Zeit der Pfarrwerdung um 1190. Die Schale wird von vier kleinen Säulen und einem Mittelzylinder getragen. Die Steinschnitte zeigen Eckköpfe mit Löwen und Drachen, denen man atropäischen Charakter zusprach. Die Taufkapelle selbst ist in ihrer Ausstattung ganz auf das Sakrament abgestimmt.

Das Sakramentshaus aus französischem Kalkstein geht auf die Zeit um 1500 zurück. Auf einem Löwensockel erhebt sich der hochrechteckige Schrein, der von einem reich verzierten Kielbogenbaldachin mit darunter liegenden Darstellungen aus der Endphase des Leben Jesu überfangen wird und in einem pelikanbekrönten Turmbaldachin ausläuft.

Grabplatte und Epitaph des Heinrich von Binsfeld um 1580 bzw. 1595. Heinrich von Binsfeld, gestorben 1576, und seine Gemahlin Elisabeth von der Horst, gestorben 1595, waren Besitzer der Burg Kessenich bei Euskirchen. Seine religiöse Jugendprägung hatte der spätere jülicher herzogliche Rat, Marschall und Amtmann von Blankenberg in der St.-Martin-Kirche erfahren. Schon zu Lebzeiten wurde er als „vir valde humanus“ sowie als „vir pius et bonus catholicus“ bezeichnet.

Madonnen-Stele aus Lahnsteinmarmor, von dem Künstler Hein Gernot, Köln, 1972 geschaffen, ersetzt den ehemaligen dreiteiligen Marienaltar mit den Figuren des hl. Sebastian (links), der Muttergottes mit dem Christusknaben (Mitte) und St. Matthias (rechts). Die in einen faltenreichen Mantel gehüllte Mondsichelmadonna wird Riemenschneider zugeschrieben; sie entstand um 1500. Das Christuskind steht auf ihrem Arm.

Die Befreiung Petri aus dem Kerker, entstanden im 15. Jahrhundert, ist vermutlich im Zusammenhang mit dem ehemaligen Petrusaltar zu sehen.

Holzbildwerke:
Der Antwerpener Hochalter entstand um 1510 in der Kunstwerkstatt Adrian van Overbeck. Er ist nicht mehr in seiner Originalfassung erhalten, da bei einer Umgestaltung dieser ursprüngliche Annenaltar mit Teilen des Petrusaltares 1807 vereint und um 1862-64 von dem Kölner Künstler Friedrich Mengelberg neu gestaltet wurde. Zentrales Bildfeld ist heute die Darstellung der heiligen Sippe mit Maria als Mittelpunkt, darunter sieht man die Vermählung Josefs mit Maria. Im linken Bildfeld sind der Tempelgang Mariens und im rechten die Almosenverteilung durch die Eltern Marias, Joachim und Anna dargestellt. Auf der dreiteiligen Predella stehen in den beiden Figurennischen der hl. Jakobus der Ältere und der Evangelist Johannes. Die ursprünglichen Seitenflügel dieses und des Petrusaltares waren 1817 an den Kunstsammler Freiherr von Haxthausen veräußert worden. Die jetzigen Flügelfelder zeigen den hl. Antonius und einen Heiligen in Rüstung sowie den heiligen Martin neben Maria mit dem Jesuskind (linker Flügel) und die heilige Anna neben dem heiligen Georg.

Fragmente des ehemaligen Petrusaltars zeigen mariologische Motive: die Verkündigung, die Weihnachtsszene mit der Hirtenanbetung und die Anbetung der Könige. Diese Fragmente nehmen die Stelle des ehemaligen dreiteiligen neugotischen Herz-Jesu-Altars ein, dessen linkes Feld die Abendmahlsszene, dessen rechtes Feld die Kreuzigungsszene (Kalvarienberg) darstellte, während die Mitte die jetzt am Turmpfeiler des südlichen Seitenschiffes aufgestellte Herz-Jesu-Figur von 1899 einnahm.

Der heutige Zelebrations-Altar ist die umgearbeitete ehemalige Kanzel von 1877. Auf der Vorderseite sind es die Evangelisten Markus und Matthäus, an den Seiten Lukas und Johannes. Der Ambo entstand durch den Umbau einer Donatus-Konsole. Das siebensitzige Chorgestühl rechts stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und weist z.T. figuralen Schmuck auf. Die linke Seite wurde 1903 symmetrisch nachgebaut.

Statuen:
Von kunstgeschichtlicher Bedeutung sind überwiegend die Statuen an den Mittelschiffpfeilern.

Die Madonna, eine Pieta-Darstellung, stammt aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Mit ihr stehen an den Pfeilern der linken Seite die heilige Gertrud als Erinnerung an die inkorporierte ehemalige Kessenicher Gertrudis-Kapelle und der heilige Donatus, der zweite Patron der Pfarre. An den Pfeilern der rechten Seite stehen: St. Sebastianus, der Patron der ältesten Schützengilde der Stadt, der heilige Josef mit Jesuskind, St. Martin im Bischofsornat. Donatus und Martinus haben zudem je eine Statue an der Außenseite des Turmportals und je ein Buntglasfenster im Vorraum des Südportals. St. Martin als Reiter zu Pferd ziert zudem die Spitze des 75 Meter hohen Kirchturms. Ferner sind in der Kirche aufgestellt: die ehemalige Zentralfigur des Herz-Jesu-Altares und die Fatima-Madonna, die Eigentum der portugiesischen Gemeinde ist.

Aufmerksam gemacht werden soll noch auf die acht Konsolfiguren im Obergaden, überwiegend Darstellungen von Aposteln, und die drei Schlusssteine des Mittelschiffes, die in ihrer Abfolge Davidstern, bärtiger Kopf (Christus ?), Muttergottes im Strahlenkranz ein theologisches Programm enthalten.

Mittelalterliches Vortragekreuz:
Im August 2003 tauchte aus dem Sakristeischrank ein Vortragkreuz mit Corpus auf, dessen Zustand und unansehnliche Fassung die Entfernung aus dem Kirchenraum, wohl schon vor Jahrzehnten, zur Folge gehabt hatte. Das Bildwerk konnte genauer datiert und ins Münsterland verortet werden. Es reihte sich hier in eine Gruppe von Kruzifixen ein, deren Entstehung um 1290 anzunehmen ist. Eine höchst bemerkenswerte und erfreuliche (Wieder)-Entdeckung. 

Im Zuge der Untersuchung ließ sich belegen, dass Astkreuz und Corpus, beides in Eichenholz gefertigt, in ihrer ursprünglichen Zusammengehörigkeit überkommen sind. Auch stellte die mit der restauratorischen Bearbeitung betraute Restauratorin fest, dass drei mittelalterliche Fassungen, hierunter die ursprüngliche, erhalten sind, gefolgt von vier nachmittelalterlichen Schichten. Während die beiden ersten Überfassungen qualitätvoll und in Anlehnung an die Erstfassung ausgeführt wurden, folgten sodann einfache und wenig aussagekräftige, deren zeitliche Einordnung aufgrund fehlender Anhaltspunkte nicht gelang.

Mit der Viertfassung verschwand die für die Aussage des Stücks wichtige Auffassung des Astkreuzes als saftgrüner, neues Leben spendender Baum; an Stelle des hellen Grüns trat ein dunkles Blaugrün. Somit fiel die Entscheidung verhältnismäßig leicht, die Freilegung auf die wohl spätmittelalterliche Drittfassung zu beschließen. Deren Anlehnung an die Erstfassung äußert sich beim Corpus vor allem in der Vergoldung des Lendentuchs, beim Astkreuz in der hellgrünen, leuchtenden Farbigkeit mit zinnoberroten Astauswüchsen. Hierdurch wird die Einheit von plastischer Form und Farbfassung eindrücklich wieder erreicht, wenn auch nicht in ihrer ursprünglichen, sondern spätmittelalterlichen Ausprägung.

Teile der Hände des Gekreuzigten waren in der Vergangenheit äußerst primitiv und somit entstellend hinzugefügt worden. Diese Zutaten wurden in Anlehnung an die erhaltenen Vergleichsbeispiele schnitzerisch qualitätvoller ergänzt. Auch hier schien es unangemessen, die Ergänzungen mit dem Argument der lückenlosen Ablesbarkeit der Geschichte des Werkes zu belassen.

Corpus und Kreuz erlangen vor allem durch die Festlegung wieder eine außergewöhnliche Qualität und auch eine im liturgischen Kontext verankerte Aussage, nämlich die den durch den Kreuzestod Christi neu erwachsenden Lebens. Durch die vorzüglich erhaltenen Fassungen beider Bildwerkteile und die Zugehörigkeit konnte ein bedeutendes Zeugnis mittelalterlicher Kunst Westfalens im Rheinland zurückgewonnen werden.

Quelle: Marc Peez, Skulpturrestaurierung in der Denkmalpflege

Sonstiges:
Von geschichtlicher Bedeutung ist das Ölgemälde der Kreuzabnahme, das um 1600 entstand und im Hintergrund die Burg Aremberg darstellt.

Die bronzenen Kreuzwegstationen stammen von Egino Weinert, Köln, und wurden 1978 angefertigt. Die zusätzliche XV. Station zeigt die Auferstehung.

Die Orgel ist eine der klangschönsten des Rheinlandes, mit 2 Manualen zu je 10 Registern sowie 8 Register im Pedal. Im Kern stammt sie von 1717, wurde 1856 erweitert, 1953 restauriert (Erdbebenschäden) und 1976 nochmals erweitert und wieder auf die barocke Klangvorstellung nach der Romantisierung zurückgeführt.

Das Geläut ist harmonisch abgestimmt und umfasst acht Glocken: 

  • Johannesglocke = Replikatguß 2005 der alten Johannesglocke, gen. die "Brömsch", ersetzt die Leihglocke von 1700, dem Martinus geweiht.
  • Große Anna-Glocke, 1520
  • Herrenglocke, 1335
  • Martinusglocke 2005 (Neuguß), ersetzt die Leihglocke von 1663, dem Donatus geweiht
  • Aveglocke, 1409
  • Katharina-Glocke, 1520 
  • Genoveva-Glocke, 1520
  • Kleine Anna-Glocke, 1513

Eine Aufnahme des Glockengeläutes wurde bei YouTube eingestellt.

Wichtige sakrale Gerätschaften, wie z.B. Werke der Goldschmiedekunst, kostbare Handschriften (Missale), liturgische Gewänder usw. können in der neu eingerichteten Schatzkammer, die am 11.04.2013 eingeweiht wurde, besichtigt werden. Gruppenführungen sind nach Anmeldung im Pastoralbüro vereinbar.

Hingewiesen sei noch im Außenbereich auf die Sonnenuhr neben dem Südportal, einen im Strebepfeiler vermauerten Matronenstein und das an der Stadtmauer auf dem alten Kirchhof stehende Grabdenkmal des guten Hirten, eine Erinnerung an den Dechanten Vogt (1836 – 1865), der 1855 das Marienhospital auf dem Gelände des ehemaligen Kapuzinerklosters stiftete und damit eine großartige soziale Tat für die Kreisstadt vollzog.

Text: Hans Helmut Wiskirchen

Fotorechte: A. Arnolds (Lizenz CC-BY-NC-ND)

EU-Martin Schatzkammer

Seit dem 11. April 2013 kann in der Pfarrkirche St. Martin der Kirchenschatz in einer eigens eingerichteten Schatzkammer präsentiert werden. Von 1998 bis 2010 waren die Exponate im Stadtmuseum "Dicker Turm" gezeigt worden, jetzt haben sie nach der Auflösung des Museums am alten Standort ihre endgültige Bleibe in der ehemaligen Taufkapelle gefunden.

Gezeigt werden kostbare Exponate bestehend aus liturgischen Geräten wie dem gotischen Messkelch, der aus dem 13. Jahrhundert stammt, ein Messbuch von 1470  oder auch die Martins- und die Georgsmonstranz. Zudem die aufwendig bestickten Kaseln aus dem 15. bis 16. Jahrhundert. Dieser Kirchenschatz enthält vor allem ein sogenanntes "Widmungsgut", das dem Kirchenpatron gewidmet war und der liturgischen Gestaltung diente. Bis heute werden beispielsweise die Monstranzen in Gottesdiensten wie der Fronleichnamsprozession auch tatsächlich benutzt.

Die Exponate geben einen Einblick in die Bedeutung, die die Kirche ab dem 12. Jahrhundert für die Stadt hatte und bezeugt einen frühen Reichtum der Bürger, der sich in den kostbaren Gegenständen wiederspiegelt.

Ergänzt wird die Ausstellung durch Münzen mit Porträts Kölner Erzbischöfe, die der frühere Euskirchener Rolf Müller aus  Privatbeständen beigesteuert hat.

Öffnungszeiten der Schatzkammer (ab Septemer 2024):
Die Schatzkammer mit ihren kostbaren Exponaten wie den Monstranzen, Reliquiaren und Kelchen in der Hauptvitrine, den Kaseln und der Münzsammlung mittelalterlicher Bischöfe von Rolf Müller, ist am letzten Samstag eines Monats von 14:30 bis 16:00 Uhr geöffnet. 

Ausnahme: Am Samstag, 28.12.2024 keine Schatzkammeröffnung. Dafür jedoch am Sonntag, 29.12.2024 von 15.00 bis 17.00 Uhr im Rahmen der Offenen Krippen in der Pastoralen Einheit Euskirchen.

Gruppenführungen sind nach Terminabsprache mit dem Pastoralbüro St. Martin unter 02251 77 626-0 außerhalb der Zeiten möglich.
Franz-Georg Schaeben

Wieso in Euskirchen im Mai die Donatuskirmes gefeiert wird? Das liegt am Donatuswunder aus dem Jahre 1652. Die Geschichte dieses Wunders erzählt Pfr. Hopmann in einem Youtube-Video.

Martin EU Hochaltar_arnolds-03

Wie im normalen Leben so vieles einem Wandel unterliegt, wie z. B.- die Tante-Emma-Läden den Discountern weichen mussten, so hat es auch in den 2.000 Jahren des Christentums manchen Perspektivenwechsel gegeben, indem von der Kirche die eine oder andere Seite des Glaubens herausgestellt wurde. Waren in meiner Jugend noch der strafende Gott und die Vorstellung des Jüngsten Gerichtes dominant, steht heute der verzeihende und liebende Gott im Vordergrund.

Der Wandel der Zeiten hat auch bei der Zentralfigur unseres Glaubens, Jesus Christus, den Fokus verschoben. Gab es im Mittelalter eine Zeit, in der der leidende Christus stärker ins Bewusstsein der Gläubigen gehoben wurde und der Schmerzensmann am Kreuz die Menschen zur Umkehr und Buße mahnen sollte, so war es später der Triumphator am Kreuz, der mit seiner Körperhaltung den Sieg über den Tod veranschaulichen sollte.

In der Epoche um 1500 rückten andere Aspekte in den Vordergrund. Hier fragte  man stärker nach der menschlichen Seite des Gottessohnes: Was war das für ein Kind? In welchem Umfeld wuchs er auf und lebte er? Wer waren seine Verwandten? Hatte er Geschwister, wenn es sie überhaupt gab? Und so lenkte sich der Blick auf das Umfeld Christi und seiner Familie und deren Genealogie. Zu Hilfe kamen dabei sogenannte apokryphe Evangelien-Überlieferungen, die von der Kirche nie in den Kanon aufgenommen wurden, und Erzählstränge wie die „legenda aurea“. Gerade um 1500 war Mutter Anna ins Blickfeld getreten. Zeugnis legt dafür z.B. die Anna-Kirche in Düren mit einer Annenreliquie ab; und Düren war – wie Euskirchen – eine der Mithauptstädte des Jülicher Territoriums.

 

Unter diesen Vorzeichen muss man die Entstehung des Annen-Altares sehen, des heutigen Hauptaltares der St.-Martins-Kirche. Man weiß, dass er eine Auftragsarbeit eines reichen Euskirchener Bürgers war, der ihn in Antwerpen gegen 1510 bestellt hat. Dort hat die Werkstatt von Adrian van Overbeck das figürliche Bildprogramm ausgeführt, wahrscheinlich nach den Vorgaben und Wünschen des Bestellers.

Der hohe Mittelteil stellt die Verwandtschaft Christi, die heilige Sippe dar. 

Eine Ebene bilden die Schwestern Esmeria und Anna, die Mutter unserer Jungfrau Maria. Sie ist damit die direkte Großmutter Christi. Anna war wie Esmeria die Tochter der Emerentia und ihres Mannes Stolanus. Die Legende sagt, dass Anna dreimal verheiratet war, was als Tri-nubium bezeichnet wird, und aus jeder Ehe entstammte als Tochter eine Maria, so dass alle drei  Marien Halbschwestern sind. 

Mit Joachim, ihrem ersten Mann, hat sie Maria, die Mutter Gottes, deren Sohn Jesus Christus ist. 

Nach Joachims Tod heiratet sie Salomas; sie sind die Eltern von Maria, die den Zebedäus heiratet, mit dem sie zwei Kinder hatte: Johannes, den Evangelisten, und seinen Bruder Jakobus den Älteren. Beide Söhne könnte man als Halb-Vettern zum Gottessohn bezeichnen; beide wurden von Christus zu seinen Jüngern berufen. Diese genealogische Erklärung wird - wenn man vor dem Hochalter steht, -auf der rechten Seite des 

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dominierenden Mittelfeldes dargestellt. Da die Meister der Antwerpener Altäre gerne volksnah und originell wirken wollten, lassen sie Jakobus d. Ä. auf einem Steckenpferd reiten, ein Utensil, das zum damaligen Kinderspielzeug gehörte, aber auch ikonographische Bedeutung hat, da Jakobus den Christen bei der Befreiung Spaniens vom Islam, der sogenannten „rekonquista“, geholfen hat.

Die dritte Tochter, Maria Kleophas, die aus der Ehe der erneut verwitweten Anna mit Kleophas hervorgegangen war, heiratet Alphäus und hatte mit ihm vier Kinder: Jakobus den Jüngeren, den Paulus den „Bruder des Herren“ nennt (Galater 1,19), Judas Thaddäus, Josephus Justus (= Barsabas)  und Simon Zelotes. Auch diesem Familienzweig (linker Teil des Mittelbildes) geben die Künstler einen Ball als Spielgerät dazu, um das Ganze zu verlebendigen.

Gerade die beiden Spielgeräte machen auch den Unterschied der plastisch volksnahen Antwerpener Schnitzaltäre zu den Bilddarstellungen der Kölner Malerschule aus, wie man gut im Vergleich mit dem Altar der Frauenberger Kirche sehen kann, der ebenfalls die Genealogie zum Thema hat. Auch er ist eine bestellte Arbeit um 1477 aus Anlass der Heirat der Katharina von Geisbusch und des Heinrich von Hompesch. Aber dieser Altar ist eben „nur“ gemalt. Die Kölner Malerschule setzte auf Farben und edle Gestaltung. Man hielt sich mit Individuell-Typischem zurück. Die lebensnahe Darstellung in den Antwerpener Altären machte sie zu „Exportschlagern“ der damaligen Zeit. Und Euskirchen zeigte sich mit der Bestellung dieses Annenaltares aufgeschlossen für die Moderne. 

Im Neuen Testament bezeugt Matthäus (27,56) Jakobus d. Ä. als Sohn des Zebedäus und der Maria Salome und lässt ihn an entscheidenden Stellen in Christi Leben anwesend sein: bei der Verklärung Christi auf dem Berg Tabor (17,1 ) und im Garten Gethsemane bei der Gefangennahme (20,36). 

Um Jakobus d. Ä. ranken sich eine Reihe Legenden. So soll er erfolgslos in Spanien gepredigt haben. Zum anderen wirkt er eine Reihe von Wundern, die den Hohepriester Abiathar ihn bei dem damaligen Herrscher Herodes Agrippa um 44 n. Chr. (Apg 12,2) anklagen lassen. Auf dem Weg zu seiner Enthauptung wirkt Jakobus noch einige Wunder. Verbotenerweise entwenden zwei seiner Schüler den Leichnam und legen ihn in ein ruderloses Boot, das Engel an die Nordküste Spaniens bringen. Sein Grab wird 825 wiederentdeckt. Zu diesem Zeitpunkt haben die Mauren fast ganz Spanien erobert. Als Jakobus in der Schlacht von Clavijo (844) auf einem weißen Ross erscheint, wird das maurische Heer in die Flucht geschlagen. Seitdem ist er der Garant für die Wiedereroberung Spaniens und dessen Befreiung vom Islam. Santiago de Compostela, wo man das Grab wiedergefunden hatte, wird nach Jerusalem und Rom das bedeutendste Pilgerzentrum des Abendlandes – bis heute.

In der Ikonographie wird er meist mit gegürteter Tunika, Pilgermantel und -hut dargestellt. Seine Attribute sind meist (Pilger-)Stab, Buch und die Muschel an der Pilgertasche

Jakobus d.Ä. ist noch zweimal in der St.-Martin-Kirche existent, was zeigt, dass er für die Euskirchener Gläubigen im 15. Jahrhundert eine große Bedeutung gehabt haben muss. 

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Einmal ist er als Konsolfigur mit Buch und Stab am Gewölbeabsatz als zweite Figur von vorne auf der rechten Seite sichtbar. Nicht umsonst wird man bei der Aufstockung und Einwölbung des Mittelschiffes seine Figur gewählt haben. 

Zum anderen steht im Hochaltar links neben der Expositionsnische eine weitere Figur des Jakobus d. Ä. mit Pilgerstab. Diese dürfte allerdings ehemals eine Petrusfigur gewesen sein. Als man Petrusaltar und Annenaltar vereinte, dürfte der verloren gegangene Schlüssel des Petrus durch den Wander-Stab ersetzt worden sein, so dass man die „neue“ Figur als Jakobus gestaltet und somit umgedeutet hat.

Nicht umsonst steht vor der St.-Martins-Kirche die Jakobusstele, die an ein Teilstück des Jakobsweges erinnert und somit die Kirche mit einbezog in den großen Pilgerweg. 

 

Jakobus der Jüngere steht zwar im Bekanntheitsgrad hinter seinem (Halb-)Vetter Jakobus d. Ä. zurück, aber auch er hat Bedeutendes aufzuweisen: Nach der Flucht des Petrus aus Jerusalem wurde er Oberhaupt der Kirche zu Jerusalem und Gastgeber des Apostelkonzils um ca. 50 n. Chr., auf dem die strittige Frage der Eingliederung der Heidenchristen in die junge Kirche beraten wurde.

In der Kirchenzeitung vom 19.04.2024 (Ausgabe 16, 2024) gibt es zu Jakobus d. J. noch eine interessante Anmerkung. Dadurch, dass Papst Franziskus sich auch wieder „Patriarch des Westens“ nennt, lebt die alte „Pent-archie“ wieder auf, in der die fünf wichtigsten Patriarchate der frühen Kirche Rom; Konstantinopel, Alexandria, Antiochia und Jerusalem waren. Und Jerusalem hatte diese Stellung inne, weil es „die Stadt der Auferstehung Christi und der „Thron des Jakobus“ war“. Denn als erstes Oberhaupt der Jerusalemer Gemeinde gilt Jakobus, der „Herrenbruder“. (K-Z, S.16)

Im Jahre 62 wurde Jakobus d.J. schließlich im Auftrag des Hohenpriesters Annas hingerichtet, weil er zu erfolgreich in der Missionierung der Juden war. Angeblich sollen auch von ihm Reliquien nach Santiago de Compostela gelangt sein. 

 

Benutzte Literatur

Kirchenführer St. Martin; Schnell u. Steiner, Regensburg 2014 (2. Aufl.)

Schaden, Christoph: Die Antwerpener Schnitzaltäre im ehemaligen Dekanat Zülpich, Köln 2000

Jöckle, Clemens: Das große Heiligenlexikon, Köln 2003

 

Hans-Helmut Wiskirchen, Mai 2024

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